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DNYANESHWARI


KAPITEL 18 (1. Teil)
 

ERLÖSUNG DURCH ENTSAGUNG

 

DIESES KAPITEL IST DER HÖHEPUNKT DES BUCHES

Dnyaneshwar Maharaj sagt: "Dieses achtzehnte Kapitel ist wie die Dachspitze eines Tempels. Wenn man sie erst einmal von Weitem sieht, weiß man, dass das Ziel nahe ist, und es gibt einem das Gefühl, dass man tatsächlich die Gottheit getroffen hat." Ähnlich wird im achtzehnten Kapitel das Wesentliche der Gita dargelegt.(18:31-32). Dieses achtzehnte Kapitel gibt einen Rückblick über die gesamte Gita. (18:43).

ARJUNA DENKT, DASS ENTSAGUNG BESSER ALS HANDELN IST

Am Ende des siebzehnten Kapitels sagte Shri Krishna Arjuna, dass ohne Glauben an Aum Tat Sat, den Namen des Brahman, vorgenommene Handlungen schlecht und falsch sind. Als Arjuna dieses hörte, dachte er: 'Shri Krishna hat an den Personen, die den Kult-Pfad gehen, etwas auszusetzen. Der einzelne Handelnde ist aber wirklich vor Unwissenheit blind und versteht die Natur Gottes im Grunde nicht. Wie sollte er dann etwas über Aum Tat Sat wissen, den Namen des Brahman? Ferner, solange raja und tama ihn nicht verlassen haben, wird auch sein Glaube unrein sein, und wie kann er dann Glauben in den Namen des Brahman haben? (18:60-64). Die karmas (Folgen von Handlungen) sind sehr schädlich. Schreckliche Unglücke wie Geburt und Tod sind in mit ihnen verbunden. Wenn Handlungen mit Glück erfolgreich durchgeführt werden, gelangt der Handelnde zu der Ehre, die Weisheit zu erlangen, ansonsten würden dieselben Handlungen seinen Untergang bedeuten. Während einer Handlung begegnet man vielen Hindernissen; wie erhält derjenige, der dem Handlungspfad folgt, die Chance, befreit zu werden? Deshalb ist es besser, diese Falle des Pfades der Handlungen zu verlassen, alle Handlungen aufzugeben und den Pfad der Entsagung (sanyas) zu wählen, der keine Mängel hat. Entsagung und Verzicht sind zwei Dinge, bei denen man nicht hört, dass man von den Karmas betroffen wird und mit deren Hilfe man die Befreiung erreichen kann. Mit ihrer Hilfe bricht die Verbindung mit der materiellen Welt ab. Deshalb ist es besser, Shri Krishna um eine Erklärung des Wesens von Entsagung und Verzicht zu bitten.' (18:66-72).

Dieses achtzehnte Kapitel enthält die Antwort Shri Krishnas auf Arjunas Frage zu diesem Thema. (18:74). Arjuna fragte: "Shri Krishna, sanyas (Entsagung) und Verzicht haben anscheinend dieselbe Bedeutung. Falls es irgendeinen Unterschied zwischen den beiden gibt, erkläre ihn mir bitte." (18:87-89).

VERZICHT UND ENTSAGUNG (ABANDONMENT AND RENUNCIATION)

Shri Krishna sagte: "Die beiden Wörter sind wirklich verschieden, aber für dich scheinen sie dieselbe Bedeutung zu haben, was, wie ich zugeben muss, auf eine Weise auch richtig ist. Es ist richtig, dass beide Wörter den Sinn haben, der einen Verzicht bedeutet, aber der Grund für ihre Verschiedenheit liegt darin, dass man mit sanyas (Entsagung) das Unterlassen aller (rituellen) Handlungen bezeichnet, während man unter Verzicht das Verzichten auf die Ergebnisse dieser Handlungen versteht. Ich werde dir jetzt erklären, bei welchen Handlungen man auf die Ergebnisse verzichten soll, und welche Handlungen insgesamt unterlassen werden sollen. (18:90-93).

Routinehandlungen laufen von selbst ab, während zielgerichtete Handlungen nicht ohne Willen durchgeführt werden. Zielgerichtete Handlungen wie das Brandopfer eines Pferdes, das Bohren eines Brunnens, das Anlegen eines Gartens, das Verschenken von Grundstücken, der Aufbau eines neuen Eigentums oder das Durchführen von Ritualen mit großem Pomp wurzeln in persönlichen Wünschen, und dieses bindet den Handelnden an den Genuss ihrer Ergebnisse. (18:97-100).

Arjuna, wenn man erst einmal einen Körper besitzt, muss man die mit Geburt und Tod zusammenhängenden Erscheinungen zur Kenntnis nehmen (18:100); ähnlich kann man nicht vermeiden, die Früchte seiner Handlungen zu genießen oder unter ihnen zu leiden. So wie man die Rückzahlung geliehenen Geldes nicht vermeiden kann, erwarten dich die Ergebnisse einer gewünschten Handlung, um dich zu erfreuen oder leiden zu lassen. (18:103). Wenn eine auf einem Wunsch beruhende Handlung unbeabsichtigt geschieht, kann sie dich sogar an ihren Ergebnissen erfreuen oder leiden lassen. (18:104). Der Suchende sollte also vorsichtig sein und solche Handlungen auch nicht aus Spaß begehen. Sie sollten wie Gift gemieden werden. Der Verzicht auf wunschbasierte Handlungen wird sanyas oder Entsagung genannt. Der Verzicht auf wunschbasierte Handlungen bedeutet die Beseitigung von Leidenschaften aus seinem Geist. (18:106-109).

Routine und zufällige Handlungen Die rituellen Handlungen, die man durchführen muss, z.B. bei einer Sonnenfinsternis oder wenn ein Gast kommt, werden zufällige (naimittic) Handlungen genannt. (18:111). Sie sind in Wirklichkeit Teil der normalen Pflichten, werden aber bei der jeweiligen Gelegenheit durchgeführt und werden daher zufällig genannt. Was man morgens, mittags und abends macht, sind die täglichen Routineaufgaben (nityakarma). (18:114-114). Die Durchführung der Routinehandlungen ist, wie der Duft in Sandelholz, inhärent tugendhaft und kann nicht vermieden werden. (18:117).

Verzicht Manche Leute sehen diese routinemäßigen und zufälligen Handlungen als nutzlos an, weil sie sowieso gemacht werden müssen. Aber so wie die Nahrung den Geschmacksknospen Befriedigung gibt und Hunger beseitigt, ergeben die routinemäßigen und zufälligen Handlungen offensichtlich Ergebnisse. (18:119-120). Die Durchführung dieser routinemäßigen und zufälligen Handlungen nehmen einem den Makel der Trägheit vom Geist, heben einen im Wert, und wegen ihnen erhält man in der Nachwelt eine gute Stellung. Aber selbst wenn man solche Ergebnisse aus diesen Handlungen erhält, sollte man auf die Ergebnisse verzichten. (18:122-123). Man sollte also die routinemäßigen und zufälligen Handlungen aufmerksam durchführen und sich dabei an den vorgegebenen Rahmen halten, auf die Ergebnisse aber mental vollkommen verzichten. Dieses Verzichten auf den Genuss von Handlungsergebnissen wird Verzicht genannt. Damit habe ich dir die Begriffe Verzicht und sanyas (Entsagung) erklärt. (18:125-126).

Entsagung Im Fall von Entsagung macht man sich über mit einem Wunsch durchgeführte Handlungen keine Gedanken mehr, während verbotene Handlungen nicht durchgeführt werden, weil sie eben verboten sind; ferner werden die routinemäßigen und zufälligen Handlungen wegen des Verzichts auf ihre Ergebnisse von selbst ungeschehen gemacht.

Der Trick beim Verzicht Wenn erst einmal alle Folgen von allen Handlungen ungeschehen gemacht worden sind, geht die Weisheit vom Selbst auf die Suche nach dir. Bei diesem geschickten Vorgehen erlangen diejenigen, die auf die Ergebnisse ihrer routinemäßigen und zufälligen Handlungen verzichten und der wunschgemäßen Handlungen entsagen, die Weisheit des Selbst. (18:127-130). Jene aber, die diesen Trick nicht verwenden sondern Verzicht aufs Geratewohl üben, verzichten überhaupt nicht, sondern geraten nur in größere Schwierigkeiten. (18:131). Auf Handlungen, die für den Verzicht nicht geeignet sind, sollte nicht verzichtet werden, während man die außer Acht lassen sollte, auf die man verzichten sollte. Gelingt einem der Trick mit dem Verzicht nicht, wird der Verzicht zur Last. Aber ein wirklich gelassener Mensch denkt nicht an die verbotenen Handlungen. (18:133-134).

Leute, die sich nicht vom Wunsch nach den Früchten ihres Tuns befreien können, beklagen, dass alle Handlungen verpflichten. So wie jemand, der als Sklave seiner Geschmacksknospen alle Arten von Nahrung zu sich nimmt und sich beschwert, wenn er sie nicht verdauen kann, beschuldigen diejenigen, die nicht von den Früchten ihrer Taten loskommen können sondern sie genießen wollen, diese Handlungen selbst und beschließen, dass man auf sie verzichten sollte. Andere sagen, dass rituelle Handlungen, wie yajnas usw., durchgeführt werden müssen, weil es kein anderes Mittel gibt, den Geist zu reinigen. Wenn man den Geist schnell reinigen muss, sollte man nicht zu träge sein, die hierzu geeigneten Handlungen durchzuführen. (18:135-139). Man sollte nicht auf Handlungen mit dem Hinweis verzichten, sie seien beschwerlich. Viele Leute haben bei rituellen Handlungen solche Gedanken. So ist Verzicht ein umstrittenes Thema geworden. Jetzt werde ich dir die wahre Natur des Verzichts richtig erklären und die Unklarheiten beseitigen, die bei seinem Betrachten auftreten. (18:142-144)

DREI ARTEN VON VERZICHT

Man kann Verzicht als in drei Arten auftretend betrachten. Ich werde sie dir jetzt erklären. Aber selbst wenn ich dir die drei Arten des Verzichts erkläre, denke daran, dass das Wesentliche an ihm das ist, was ich dir gerade erzählt habe. Höre Mir zu, der ich allwissend bin, um Meine endgültige Meinung über Wahrheit zu erfahren. Der Suchende, der immer aufmerksam die Befreiung von den Fesseln dieser Welt sucht, sollte nur diesem folgen. (18:145-148).

Wie ein Reisender, der nicht aufhören sollte, seine Schritte vorwärts zu richten, sollte man auf die wesentlichen Handlungen, wie yajna, Schenkungen und Askese, nicht verzichten. (18:149). Solange man sich der Selbst-Erkenntnis nicht sicher ist, sollte man nicht lässig über diese Rituale hinweggehen. Vielmehr sollte man sie entsprechend dem eigenen Anspruch mit mehr Aufmerksamkeit beachten. Das Durchführen von mehr rituellen Handlungen ist beim Nicht-Handeln hilfreich. (18:152-154). Werden Riten zügig und entsprechend den vorgeschriebenen Regeln durchgeführt, werden die Merkmale raja und tama vollständig zerstört. (18:156). Ein im Glauben durchgeführter Ritus zerstört raja und tama und hebt die Wichtigkeit der Reinheit des Sattva-Merkmals hervor. Zum Erlangen der Reinheit des Sattva-Merkmals sind gerechte Handlungen wie Wallfahrtsorte. An Wallfahrtsorten wird der äußerliche Schmutz beseitigt, während gerechte Handlungen den inneren Schmutz beseitigen. Gerechte Handlungen sind also die Wallfahrtsorte zum Erlangen der Reinheit des Sattva-Merkmals. (18:158-160). Wie der Fluss selbst den Ertrinkenden rettet, sind es die Handlungen, die den Suchenden von den Fesseln befreien. Bei den Handlungen gibt es den Trick, dass man sie als Hauptgrund für die Befreiung einsetzt, obwohl sie im Grunde genommen binden. Ich werde dir jetzt von dem Trick erzählen, der die Handlungen ungeschehen macht. (18:162-165).

Wer diesen Trick anwendet, bläst sich nicht vor Stolz auf, wenn die Haupt-yajnas richtig durchgeführt werden. (18:166). So wie jemand, der auf Kosten anderer eine Wallfahrt unternimmt, darüber nicht stolz ist (18:167), führt er die Riten systematisch zu geeigneten Zeiten durch und hat nicht das Selbstgefühl, der zu sein, der den Ritus durchführt. Arjuna, man sollte erst die Erwartung auf Belohnung aufgeben und dann erst mit dem Handeln beginnen. (18:170-172). Wer mit diesem Trick handelt, wird dem Selbst begegnen. Man sollte daher handeln und das Verlangen nach Belohnung und das "Ich-bin-der-Körper"- Bewusstsein aufgeben. Dieses ist meine Botschaft. Ich wiederhole immer wieder, dass derjenige, der der Fesseln des Lebens müde ist, diesem meinem Befehl nicht zuwiderhandeln sollte.(18:175-177).

Tama-Verzicht Wenn man auf alle Handlungen verzichtet und denkt, dass Handlungen binden, so nenne ich diesen Verzicht einen Tama-Verzicht. Das ist so, als wenn man seinen Kopf wegen der Kopfschmerzen abschneidet. (18:178-179). Wegen dieses Irrtums versteht die Tama-Person den Trick des Ausschaltens der Nachteile von Handlungen durch die Handlungen selbst nicht. Daher verzichtet er auf die Erfüllung der Pflichten, die er von seinem swadharma erhalten hat. Du solltest solch eine Tama-Person noch nicht einmal berühren. (18:182-183).

Raja-Verzicht Obwohl die Raja-Person seine Ansprüche und Pflichten genau kennt, ist er bei der Beachtung träge, weil er die damit verbundene Mühe scheut. (18:184). Oder er fängt eine Handlung gemäß Vorschrift an und gibt auf halbem Wege auf, sobald es mühsam wird. Es sagt: "Es ist ein großes Glück, dass ich so einen wunderbaren Körper habe; warum sollte ich ihn dann wie einen Sünder arbeiten lassen? Wenn man später einmal durch Handlungen glücklich werden sollte - jetzt möchte ich es nicht. Warum sollte ich nicht das Beste aus dem Luxus machen, der mich jetzt umgibt?" Das Verzichten auf Handlungen, weil sie mühevoll sind, wird Raja-Verzicht genannt. Das ist zwar auch ein Verzicht, aber er trägt keine Früchte, weil die Person wegen seines Haftens an seinen Körper auf Handlungen verzichtet. (18:189-193, 195).

Mit dem Anwachsen der Weisheit verschwinden mit dem Unwissen auch alle Handlungen, und das ist dann wirklich ein Verzicht auf Handlungen, der zur Befreiung führt. Wer aus Unwissenheit nicht handelt, erhält diese Befreiung nicht. Der Raja-Verzicht sollte daher nicht als wahrer Verzicht angesehen werden. Da wir gerade beim Thema sind, höre dir jetzt an, welcher Verzicht zur Befreiung führt. (18:196-199).

Sattva-Verzicht.   Beim Sattva-Verzicht führt man jede einem gemäß der natürlichen Rechte und Pflichte (gemäß seiner Kaste) zugewiesenen Handlungen nach Vorschrift und mit Liebe durch. Aber man denkt nicht darüber nach, dass man es selbst ist, der handelt. Man verzichtet auch auf die Belohnung für die Handlungen. (18:200-201). Das Ich-Bewusstsein bei Handlungen und der Wunsch nach Ergebnissen sind in der Tat das, was das Einen-Bindende bei den Handlungen genannt wird. Wer sich bei seinen Handeln von diesen beiden Gefühlen frei hält, wird nicht unglücklich. Der allerhöchste Baum des Verzichts erzeugt die großen Früchte der Befreiung; daher ist dieser Verzicht als Sattva-Verzicht bekannt. (18:205-207).

Wenn man auf Handlungen verzichtet, nachdem man auf die Ergebnisse verzichtet hat, werden die Merkmale raja und tama zerstört. Dann lässt das reine Sattva-Merkmal das Licht der Selbst-Erkenntnis leuchten und beseitigt die Illusion von der Wirklichkeit der Welt. (18:210-211).

Da die ihm wegen der bisherigen Karmas zugewiesenen Pflichten seiner Meinung nach ohne Makel sind, kümmert sich der Betroffene nicht um Glück oder Unglück. Er ist weder freudig erregt bei dem Gedanken, dass eine Pflicht güstig ist, noch ist er unglücklich, wenn er sie für ungünstig hält. Er trägt in seinem Geist keine Zweifel darüber, ob eine bestimmte Pflicht ungünstig ist oder nicht. Wenn die Gefühle der Dualität "Dieses ist die Pflicht" und "Ich bin es, der die Pflicht erfüllt" nicht in seinen Geist eindringen, ist der Verzicht vom Sattva-Typ. Mit dieser Art des Verzichtes wird auf Handlungen vollständig verzichtet. Wenn auf sie auf irgendeine andere Art verzichtet wird, binden dich die Handlungen noch mehr. (18:212-217).

Die Umwandlung von Handlungen zu Nicht-Handlungen.   Wer bezüglich seiner Pflichten träge ist, nachdem sie sich des Körpers angenommen haben, ist ein Einfaltspinsel. (18:218). Ist es nicht dumm, zu versuchen, auf die Handlungen zu verzichten, solange der Eindruck "ich bin der Körper" vorhanden ist? Man kann die Sandelholzpaste von seiner Stirn wischen, aber wie kann man die Zukunft wegwischen, die einem auf der Stirn geschrieben steht? Man kann mit den vorgeschriebenen Ritualen aufhören, nachdem man damit angefangen hat; wie kann man jedoch die Körperaktivitäten stoppen? Denn die Atmung z.B. funktioniert weiter, selbst wenn man schläft oder sitzt und nichts tut. Die mit dem Körper zusammenhängenden Handlungen können nicht unterlassen werden, solange wir leben, oder sogar nach dem Tode. Auf diese Handlungen kann man nur mit dem Trick verzichten, dass man bei der Durchführung der Handlungen nicht im Griff der Begierde nach deren Ergebnissen steckt. Falls die Früchte der Handlungen Gott geweiht sind, erreicht man mit Seiner Güte Selbst-Erkenntnis, und das zerstört alle Handlungen, zusammen mit der Unwissenheit. Diese Art von Verzicht auf Handlungen ist der wahre Verzicht. Wer also auf diese Weise auf Handlungen verzichtet, ist ein großer Entsager. Ich sage dir nochmal, dass nur solch ein Mensch als wahrer Entsagender in diesen drei Welten angesehen werden sollte, der durch Verzicht auf die Ergebnisse der Handlungen diese zu Nicht-Handlungen umgewandelt hat. (18:222-232).

Ungünstige, günstige und gemischte Handlungen.   Arjuna, Handlungen gehören zu einer dieser drei Arten an, und nur diejenigen, die den Wunsch auf die Ergebnisse der Handlungen nicht aufgeben, haben sich ihrer zu erfreuen oder darunter zu leiden. Ein Vater wird nach der Geburt einer Tochter erst von seinen Pflichten entbunden, wenn er einer Hochzeit zustimmt, und dann wird der Schwiegersohn, der die Tochter akzeptiert, in die Pflicht genommen. (18:233-234). Falls man eine Handlung aus dem Ego seiner Fähigkeiten heraus vornimmt oder wenn man dann auf die Ergebnisse verzichtet - die Handlung alleine kann in beiden Fällen den Handelnden nicht binden. Ergebnisse werden nur von dem erzielt, der sie wünscht. Wer aber sogar nach getaner Tat auf die Ergebnisse verzichtet, wird nicht in einer dieser drei Welten wiedergeboren, weil letztere aus den Ergebnissen von Handlungen bestehen. Gottheiten, Menschen und sonstiges Leben sind als Welt bekannt, und sie sind selbst von dreierlei Art von Handlungsergebnissen. Dieselbe Handlung kann von dreierlei Art sein, nämlich ungünstig, günstig und gemischt. (18:236-240).

Die Ergebnisse der Handlungen derjeniger, die voller Begierde sind und mit ihrem Verhalten sündigen, indem sie verbotene, üble Taten vollbringen und deshalb in niederer Form, wie als Würmer, Insekten, Erde oder Steine usw. wiedergeboren werden, werden ungünstige Handlungsergebnisse genannt. (18:241-242).

Die Früchte der Taten derjeniger, die den swadharma respektieren und gemäß ihrem Stand verdienstvolle Taten tun, wie sie in den Veden vorgeschrieben werden, und dann die Körper von Gottheiten wie Indra usw. erreichen, sind als günstige Ergebnisse von Handlungen bekannt. (18:243-244).

Wenn Wahrheit und Unwahrheit vermischt sind, entsteht eine dritte Art von Wesen, und daher führen die Ergebnisse einer Handlung mit guten und schlechten Taten zu einer Wiedergeburt als Mensch. Dieses wird als gemischtes Ergebnis einer Handlung bezeichnet. (18:245-247).

Das Auslöschen von Handlungsergebnissen.    Es gibt dreierlei Arten von Handlungsergebnissen auf dieser Welt. Wer sich im Wunsch nach den Ergebnissen von Handlungen verfängt, ist gezwungen, diese zu genießen oder zu erdulden. (18:248-249). Wer fortfährt, in seiner Lebenszeit Handlungen zu vollbringen, mag materiell vorwärtskommen, muss aber nach seinem Tod die Freuden oder Leiden aus diesen Handlungen ertragen. (18:251). Wenn ein Korn aus einer Ähre zu Boden fällt, sprießt es und erzeugt eine weitere Ähre mit Körnern. Körner von dieser Ähre fallen wieder zu Boden, sprießen und erzeugen weitere Ähren, und dieser Kreislauf geht weiter. Ähnlich ergeben sich aus den Früchten von Handlungen weitere Früchte von Handlungen. (18:253-254). Die Last der Folgen nimmt in der Ordnung - Ziel und Mittel zu, und diejenigen, die den Wunsch nach den Ergebnissen ihrer Handlungen nicht aufgeben, werden in der materiellen Welt verwickelt. Auf der anderen Seite lassen diejenigen, die trotz Handlungen durch Aufgabe des Wunsches derer Ergebnisse diese ungeschehen machen, die Ergebnisse unwirksam werden. (18:256-258).

Mit Hilfe eines korrekten moralischen Verhaltens und dem Nektar der Güte eines Gurus verwirklicht sich die Selbst-Erkenntnis, und die durch die Dualitäts-Haltung verursachten Leiden hören auf. Die drei Arten von Handlungsergebnissen, die für die Bildung der Illusion über die Wirklichkeit dieser Welt verantwortlich sind, verschwinden, und in diesem Zustand lösen sich beide, die Ergebnisse und deren Genießer, auf. Wer bei der Entsagung (sanyas) von erkennbaren Handlungen erfolgreich gewesen ist, wird von den aus den Handlungsergebnissen herrührenden Schwierigkeiten von Geburt und Tod befreit. Wie könnte jemand, der das Selbst geschaut hat, fühlen, dass die Handlungen vom Handelnden verschieden sind? (18:259-262). Wenn auf die Früchte des Handelns erst einmal verzichtet worden ist, verschwindet das materielle Wissen (und der Suchende wird eins mit den Brahman); wer wird dann die Früchte genießen und wer wird über diesen Genuss berichten? Bei einem Entsagenden (sanyasi) kommt daher das Gespräch über Handlungen überhaupt nicht vor. (18:266-267).

So lange in ihm noch Unwissenheit verbleibt und ein Einzelner Kraft seiner Fähigkeiten zu guten und schlechten Taten verleitet wird und solange seine Haltung dualistisch ist, gibt es eine Trennung zwischen der Seele und der Handlung (18:269), aber nur, wenn die Unwissenheit diese als solche zeigt. (18:275).

GRÜNDE FÜR HANDLUNGEN

Es gibt oft fünf Gründe, weswegen ein Einzelner handelt. Ich werde sie dir beschreiben. (18:277). Aber vielleicht kennst du sie schon, weil die shastras sie deutlich beschreiben. Sie sind durch die Erklärungen in der Sankhya-Philsophie im Rahmen der Veden sehr bekannt. Es sind die fünf Hauptgründe, die wesentlich für den Erfolg von Handlungen sind. Bringe sie aber nicht mit der Seele in Verbindung, die die Herrin von allem ist. (18:278-280). Arjuna, wir haben darüber gesprochen, wie alle Handlungen von der Seele getrennt sind. (18:296). Es ist wirklich wahr, dass alle Handlungen ohne die Weisheit der Seele aus diesen Gründen entstehen und dass die fünf Gründe zusammenwirken und die Handlungen gestalten. Dieselben fünf Gründe sind auch der Zweck der Handlungen. Die Seele ist nicht beteiligt und bildet keinen Grund oder zufälliges Motiv, noch hilft sie dabei, die Handlung zu vollenden. So wie der Himmel von Tag und Nacht verschieden ist (18:304-308), bleibt die Seele von den guten und schlechten Taten getrennt, die der Einzelne vornimmt. (18:313).

Die erste Ursache Der Körper ist die erste Handlungsursache und der Ort der Handlung, weil der Nutznießer und die zu erfreuenden Organe in ihm sind. Für ein Individuum gibt es keine andere Stelle, die Freuden und Leiden zu erfahren, die nach mühevoller Arbeit der zehn Organe von maya (d.h. der Natur) geschaffen werden. Daher wird der Ausdruck "Sitz der Handlung" im Zusammenhang mit dem Körper gebraucht. Es ist der Ort von vierundzwanzig Prinzipien und der Verwicklung des Gebundenseins, und die Befreiung wird hier sozusagen beerdigt. Dieser Körper unterstützt die drei Stadien Wachsein, Schlafen und Träumen; daher wird er als Körper bezeichnet. (18:315-320).

Die zweite Ursache  Die zweite Ursache für die Handlungen ist der Handelnde. Dieser Handelnde ist das Abbild des Bewusstseins. (18:321). Indem es seine eigene Natur vergisst, erscheint sie mit der "Ich-bin-der-Körper"-Illusion in Gestalt des Körpers. Das Bewusstsein, das seine wahre Natur des Selbst vergessen hat, ist als Individuum bekannt. Dieses Individuum ist verpflichtet, in allen Dingen mit dem Körper zu leben. Wegen seines Irrglaubens behauptet er, dass alle vom Körper durchgeführten Handlungen in Wirklichkeit von ihm durchgeführt wurden, und daher wird dieses Individuum der Handelnde genannt. (18:324-326).

Die dritte Ursache  Obwohl die Erkenntniskraft des Verstandes ein bestimmtes Niveau hat, erscheint sie durch verschiedene Organe unterschiedlich beeinflusst zu sein. Dieses wird als vielfache verschiedene Funktionen (Prithagvidha Karan) bezeichnet. Dieses ist die dritte Ursache für Handlungen. (18:330-331).

Die vierte Ursache  Die Luft hat eine dauernde Schaffenskraft, die sich unterschiedlich an verschiedenen Orten zeigt. Wenn sie vermittels der Zunge erscheint, kennt man sie als Sprache, und wenn sie sich durch die Hände ausdrückt, wird sie Geben und Nehmen genannt; wenn sie sich über die Füße zeigt, wird sie Gehen genannt, und in Form von Urin und Fäces nennt man sie Reinigung. Sie wird vitaler Atem (pranavayu) genannt, wenn sie während ihrer Bewegung vom Nabel zum Herzen den AUM-Laut entstehen lässt. Derselbe vitale Atem heißt udana, wenn er sich im Unterkörper bewegt, apana, wenn er am unteren Ende herauskommt und vyana, wenn er den ganzen Körper durchströmt. Wenn er alle Körperregionen mit den lebensnotwendigen Säften versorgt und alle Gelenke durchströmt, wird er samana genannt. Handlungen wie Gähnen, Schnupfen, Rülpsen usw. sind unbedeutendere Erscheinungsformen der Lebensenergie, nämlich naga, kurma, krikal usw. (s. Kap. 6). Die Schaffenskraft der Luft, die bei verschiedenen Anlässen verschiedene Namen hat, ist der vierte Grund für Handlungen.(18:333-343).

Die fünfte Ursache  Der Verstand ist von allen dem Individuum innewohnenden Eigenschaften die beste. Sie zeichnet sich durch die Kraft der Organe aus, die wiederum von der Gruppe der führenden Gottheiten unterstützt wird. Die führenden Gottheiten, wie die Sonne usw., geben bestimmten Organen, wie den Augen usw., Kraft. Diese Gruppe führender Gottheiten bildet die fünfte Ursache von Handlungen. Damit habe ich dir die Ursachen für alle Handlungen erklärt. Diese Ursachen führen nun zu zahllosen Handlungen. Ich erkläre dir nun, zu welchem Zweck dieses passiert. (18:348-352).

Der Geist als Verursacher absichtlicher Handlungen  Arjuna, der Geist ist die Ursache für die Absicht, zu handeln, und wenn diese Absicht erst einmal da ist, äußert sie sich durch die Sprache. Durch die Sprache wird der Handlungsweg klar, und der Handelnde beginnt mit der Aufgabe, die Handlung durchzuführen. Deshalb wird der Körper selbst der Zweck der körperlichen Handlungen. (18:357-359). Die Handlungen von Geist, Sprache und Körper werden der Zweck von Geist, Sprache und Körper, weil letztere bei den Handlungen des Geistes usw. beteiligt sind. (18:361).

ENTSTEHEN VON HANDLUNGEN

Wenn Körper, Sprache und Geist sich mit den fünf Ursachen (Körper usw.) vereinigen, entstehen Handlungen. Wenn eine Handlung wie in den shastras vorgeschrieben durchgeführt wird, ist es eine richtige Handlung und sie verursacht auch richtiges Verhalten. (18:366-367). Eine Handlung, die durch das Zusammentreffen von Zweck und Ursache abläuft, ist eine unnütze Handlung. (18:370). Wenn sie aber bewusst mit der Unterstützung der shastras durchgeführt wird, wird sie zu einer richtigen Handlung. Wenn eine zügellose Handlung, die durch das Zusammenwirken von Zweck und Ursache abläuft, nicht gemäß den shastras abläuft, ist sie so, als ob sie nicht geschehen wäre. Solch eine Handlung ist eine falsche Handlung und die Ursache von Unsittlichkeit. (18:375-376). So haben die wegen der fünf Ursachen stattfindenden Handlungen auch fünf Absichten, und die Seele ist wegen ihres Kontaktes mit allem auch beteiligt. (18:377). Die Seele macht die Handlungen wahrnehmbar, ohne selbst ihre Gestalt anzunehmen und ohne der Handelnde zu sein. (18:378). Die Person, deren Verstand wegen der "Ich-bin-der-Körper"-Illusion auf den Körper beschränkt ist, tappt bezüglich des Selbst im Dunkeln. Wer den Körper als die Seele, Gott und Brahman ansieht, steht unter dem Eindruck, die Seele sei der Handelnde, aber im Grunde genommen ist er sich dessen nicht sicher, weil er den Körper als den Handelnden ansieht. Er hat noch nicht davon gehört, dass er, der die Seele dastellt, jenseits von Handlungen ist und sie nur als Zeuge wahrnimmt. Es ist daher kein Wunder, dass er die unendliche Seele mit körperlichen Maßen misst! (18:382-385). Man muss schon sagen, dass derjenige, der noch nicht einmal zulässt, dass in seiner Anwesenheit die Namen der shastras oder des Guru geäußert werden, nur Kraft seiner Torheit überlebt. Mit dem Verständnis, dass der Körper selbst die Seele ist, sperrt er sich mit den starken Mauern der Handlungen in seinen Körper ein. (18:390-392). Wer die Handlungen von Natur oder maya der Seele zuschreibt, wird Millionen von Zeitaltern für die Handlungen bezahlen. (18:394).

LOSGELÖSTSEIN VON HANDLUNGEN

Jetzt erzähle ich dir, wie man erkennt, dass jemand nicht an Handlungen hängt, auch wenn er sie durchgeführt hat. (18:396). Während wir an solch eine befreite Person denken, werden wir selbst befreit (18:397) - man gewinnt das Selbst wieder, wenn man an die Heiligen denkt; man sollte daher singen und die Lobgesänge über die Heiligen anhören. (18:400). Der Befreite hängt nicht an den - guten oder schlechten - Früchten seiner Handlungen. Ich werde dir mittels indirekter Argumentation die Eigenschaften der Person erzählen, die über die Handlungen hinausgegangen ist. (18:401-402).

Wer während des Schlafes der Unwissenheit das Universum für lange Zeit als einen Traum erlebte, erwachte um die Seligkeit des Brahman zu erleben, nachdem er mittels der Güte des Gurus das große Wort "Du bist das" hörte, wobei ihm der Guru nicht nur die segensreichen Hände über dem Kopf hielt sondern ihn tätschelte. (18:403-405). So wie der Traum nach dem Erwachen verschwindet, verschwindet das "Ich"- und "Mein"-Gefühl aus seinem Geist. (18:408). Hat jemand die Selbst-Erkenntnis erreicht und gewahrt einen sichtbaren Gegenstand, verschmelzen Gegenstand und Seher mit dem Selbst. (18:410). Wenn diese Handlung versehentlich vom Handelnden verschieden ist, verschwindet die Unterstellung, die Seele sei der Handelnde, und es bleibt nur der Zustand des Selbst. Würde der Herrscher über diesen Zustand des Selbst das "Ich-bin-der-Körper"-Gefühl aufrechthalten? (18:412-413). Wie könnte eine Person, die in sich die Erkenntnis und den Kennenden vereint hat, das "Ich-bin-der-Körper"-Ego besitzen? (18:418). Was immer er tut, sieht aus wie seine eigene Gestalt (des Selbst); welche Handlungen könnte er dann als seine beanspruchen? (18:420). Auch derjenige, der fühlt, dass das Ego als Handelnder bedeutungslos ist, führt während seines Lebens Handlungen durch. (18:422). Obwohl das "Ich-bin-der-Körper"-Ego verschwunden ist, lässt die Natur, die den Körper geschaffen hat, mittels dieses Körpers Handlungen durchführen. (18:428). Wegen der fünf Ursachen (Körper usw.) geschehen diese Handlungen natürlich ohne jede Bewegung seitens der Seele. Wegen des Einflusses vorheriger Leben bewirken diese fünf Ursachen und Absichten viele Handlungen, mögen dies Handlungen das gesamte Universum zerstören oder ein neues Universum erschaffen. (18:431-433). Was auch passiert, der Befreite verbleibt ohne das "Ich-bin-der-Körper"-Gefühl in seinem Körper. (18:435). Er nimmt die Ereignisse der Welt nicht wahr, aber diejenigen, die ihn als Körper materiell sehen, betrachten ihn als den Handelnden. (18:436-437). Wer zur Natur des Selbst erwacht ist und die Haltung des Sehenden zusammen mit dem Gesehenen aufgelöst hat, wird nicht gewahr, was seine Organe tun. (18:441). Die körperlichen Bewegungen einer vom Reinkarnationszyklus befreiten Person geschehen gemäß der karmas vorheriger Leben, aber weil die Leute dieses nicht erkennen, nennen sie ihn den Handelnden. Man sollte ihn nicht beschuldigen, wenn durch seine natürlichen Handlungen sogar die drei Welten zerstört würden. Ein Weiser besitzt kein Gefühl für Dualität, und daher gibt es nichts, was er zerstören könnte. (18:447-449).

So wie der Ganges selbst nach dem Zufluss eines anderes Flusses nicht unrein wird, wird der Verstand eines Befreiten nicht von den Gedanken an Sünde oder Verdienst betroffen. (18:450). Wie kann der Verstand eines Menschen, der nicht zwischen sich und seinen Handlungen unterscheidet, durch diese betroffen sein? Wer selbst zu einem Trio von Handlung, Handelndem und Ursache geworden ist, wird also nicht durch die von seinem Körper usw. ausgeführten Handlungen gefesselt. Das Individuum, das sich selbst als den Handelnden ansieht, arbeitet geschickt mit den fünf Arten von Absichten und führt mit Hilfe der zehn Körperorgane unzählige richtige und falsche Handlungen durch - aber die Seele hat zu diesen Aktivitäten keine Verbindung. Man könnte sagen, dass die Seele bei der Vorbereitung für diese Handlungen hilft, aber das ist auch nicht wahr, weil die Seele das Brahman und nur ein Augenzeuge ist (Chidrup oder eine Form des Brahman), und wie würde sie einer Handlungsabsicht zustimmen? Die Handlungsabsicht, die die Menschen schwer arbeiten lässt, beeinflusst die Seele nicht. Daher kann jemand, der das Brahman erreicht hat, nie in die Falle von Handlungen geraten. Es ist das Trio von Handlung, Handelndem und Ursache, das für die Beschreibung falschen Wissens angesichts der Unwissenheit verantwortlich ist. (18:450-460).

FALSCHES WISSEN

Das aus der Weisheit, dem Erkenner und dem Erkennbaren bestehende Trio ist die Wurzel des Universums. Aus ihm stammt die Neigung, zu handeln. Jetzt werde ich dir Erscheinungsformen jedes Mitglieds dieses Tios erklären. (18:461-462).

Wissen ist der Name für das, was bewirkt, dass der Einzelne Freude und Schmerz empfindet und was während des Tiefschlafs verschwindet. Der Einzelne ist der Erkenner. Was durch den Einzelnen erfahren wird, heißt Kenntnis. Diese aus Unwissenheit über das Selbst entstandene Kenntnis teilt sich gleich nach ihrer Entstehung in drei Teile auf. Sie hält das Erkennbare vor sich und den Kenner hinter sich, und indem sie die beiden verbindet erzeugt sie eine Wechselwirkung zwischen beiden. Diese Kenntnis, deren Bereich auf die Grenzen des Erkennbaren beschränkt ist und die verschiedenen Dingen verschiedene Namen gibt, ist zweifellos ganz normales Wissen. Jetzt höre dir an, welche Eigenschaften das Erkennbaren hat.(18:465-471).

Geräusch, Gefühl, Gestalt, Geruch und Geschmack sind die fünf Wege, über die Erkennbares erkannt wird. So wie dieselbe Mangofrucht durch Geschmack, Farbe, Geruch und äußerer Form erkannt wird, wird sie durch fünf Organe erkannt, obwohl das Erkennbare nur eines ist. Die Kenntnis ist daher von fünferlei Art. (18:472-474). Die Stelle, an der die durch Organe gewonnene Kenntnis aufhört, ist das Erkennbare oder das Sinnesobjekt. Damit habe ich dir die Eigenschaften von Kenner, Kenntnis und Erkennbarem aufgezeigt. (18:475-477).

Dieses Sinnesobjekt wird zur Ursache von dreierlei Arten von Handlungen. (18:477). Obwohl es wegen der fünf Sinne, nämlich Gehör, Gefühl, Sehen, Geruch und Geschmack, von fünferlei Art ist, ist es bezüglich der Akzeptanz durch den Einzelnen nur von einer Art: entweder mag er es oder nicht. Wenn der Erkennende auch nur wenig vom Sinnesobjekt weiß, neigt er doch dazu, es zu akzeptieren oder abzulehnen. (18:478-480). So wie ein Kranich sich auf einen Fisch stürzt, sobald er ihn sieht, stürzt sich der Erkennende auf die Sinnesobjekte. (18:480, 484). Arjuna, deshalb rühren alle Handlungen vom Erkennen, dem Erkennbaren und dem Erkennenden her. (18:485).

Wenn der Erkennende ein erkennbares Sinnesobjekt mag, duldet er keinen Moment Verzögerung, um sich an ihm sofort erfreuen. Wenn er es dagegen nicht mag, erscheint ihm jeder Moment, während dem er das Objekt nicht loswird, wie eine Ewigkeit. (18:486-487). Er handelt dann, um es anzunehmen oder zurückzuweisen. (18:489). So wird der Erkennende der Handelnde. (18:491). Wer mit dem Wunsch nach Sinnesfreuden die Organe arbeiten lässt, wird der Handelnde, und dann wird die Erkenntnis die Ursache, oder mit anderen Worten, das Mittel, und folgerichtig wird dann das Sinnesobjekt zur Handlung. Dadurch ändert sich die grundlegende Natur der Erkenntnis. (18:493-495). Indem er seine Organe anstrengt, fängt sich der Erkennende in seinem Ego-Gefühl, der Handelnde zu sein. Höre, welche Eigenschaften der Handelnde unter diesen Umständen hat. (18:497).

Verstand, Geist, Bewusstsein und Ego sind die vier inneren Organe und Haut, Ohren, Augen, Zunge und Nase sind die fünf äußeren Sinnesorgane. Der Handelnde schätzt die mögliche Handlung mit Hilfe der inneren Organe ab, und wenn er denkt, dass ihm die Handlung Freude bereiten wird, setzt er seine zehn externen Organe (fünf Sinnesorgane und fünf ausführende Organe) ein, bis er das Ergebnis bekommt. Wenn er auf der anderen Seite denkt, dass ihm die Handlung Schmerzen oder Unglück bringt, lässt er seine zehn externen Organe davon Abstand nehmen. So wie ein König Untertanen Tag und Nacht unbezahlt für sich arbeiten lässt, lässt der Handelnde die Organe Tag und nacht arbeiten, bis Schmerz oder Unglück vollständig beseitigt sind. Wenn der Erkennende die Organe einsetzt, um über die Durchführung oder Ablehnung einer Handlung zu entscheiden, wird er der Handelnde genannt. (18:498-505).

Wir nennen die Organe Handlungsmittel, weil der Handelnde sie gebraucht, um Handlungen durchzuführen. In diesem Kapitel wird mit Handlung das bezeichnet, was das Handeln mit diesen Mitteln umfasst. (18:506-507). So wie der Verstand eines Goldschmieds den Goldschmuck umfasst, umfasst die Handlung zweifellos die Taten des Handelnden. (18:508, 510). Damit habe ich dir von den Eigenschaften der Handlung, des Handelnden und der Mittel der Handlung erzählt. Hier sind der Erkenner, das Erkennen und das Erkennbare die Urheber der Handlung, während der Handelnde, die Mittel und die Tat die Gesamtheit der Handlung darstellen. (18:511-512). Das Trio Handelnder-Mittel-Tat sind die Verbindungsleine der Handlung; daher hält sich die Seele von Handlungen fern, wo immer ein Ego "ich-bin-der-Handelnde" vorhanden ist. Deshalb ist es nicht nötig, dir extra zu sagen, dass die Seele und Handlungen etwas Verschiedenes sind. Das weißt du schon. (18:514-516).

ERKENNTNIS, HANDLUNG UND DER HANDELNDE

Die Erkenntnis, die Handlung und der Handelnde, die ich dir gerade erklärt habe, treten wegen der drei Merkmale (sattva, raja und tama) in dreierlei Arten auf. Du solltest dem Trio Erkenntnis-Handlung-Handelnder nicht trauen, weil zwei der Merkmale zum Verhaften mit der Welt führen und nur das Sattva-Merkmal alleine in der Lage ist, zur Befreiung zu führen. Ich werde dir die Kennzeichen des Sattva-Merkmals erklären, die in der Sankhya-Lehre klar beschreiben werden. Diese Sankhya-Lehre ist ein Meer von Gedanken, sie ist der Mond, der den Lotus der Selbst-Erkenntnis aufblühen lässt und die beste von den Weisheit vermittelnden Lehren. Sie ist die Sonne, die zwischen prakriti und purusha (Natur und Höchstes Selbst) unterscheidet, die wie Tag und Nacht miteinander verstrickt sind. Diese Lehre misst das unmessbare Unwissen mittels der vierundzwanzig Prinzipien aus und führt dich zur Erfahrung der Seligkeit des Obersten Prinzips. Arjuna, die Kennzeichen der in der Sankhya-Lehre beschriebenen drei Merkmale sind folgende. (18:517-523).

Diese drei Merkmale sind so bedeutend, dass sie mit ihrer Macht alle Dinge dieser Welt in drei Arten eingeteilt haben, und folglich wurde alles von Brahmadeo bis zum winzigen Insekt in die drei Arten von Merkmalen umgewandelt. Aber zunächst möchte ich dir von dem Prinzip berichten, durch das das gesamte Universum in die Fänge dieser drei Merkmale geraten ist. Damit man alles klar sehen kann, muss das Sehvermögen gut sein, und ähnlich ist es möglich, die wahre Natur der Dinge zu erkennen, wenn das Wissen rein ist. Daher werde ich dir vorher noch vom Sattva-Wissen erzählen. (18:524-528).

Sattva-Wissen  Arjuna, das Wissen, mit dem das Erfahrbare zusammen mit dem Wissenden verschmilzt, ist Sattva-Wissen. (18:529). Diese Weisheit sieht keinen Unterschied zwischen Individuen, von Shiva bis zum Grashalm. (18:531). Wenn das Erfahrbare im Licht dieser Weisheit gesehen wird, kann man zwischen dem Erkennenden, der Weisheit und dem Erkennbaren keinen Unterschied ausmachen. (18:533). Die Weisheit , die sichtbare Dinge nicht sieht, ist die Sattva-Weisheit. So, wie ein Beobachter in einem Spiegel sein Spiegelbild sieht, sieht der Weise das Erkennbare als Weisheit (die er auch selbst ist). Sein Sattva-Wissen ist der Tempel der Befreiung. Jetzt höre dir die Eigenschaften des Raja-Wissens an. (18:535-537).

Raja-Wissen  Was Unterschiede zwischen den Geschöpfen voraussetzt, ist Raja-Wissen. Dieses Wissen hat sich durch die Annahme von Unterschieden zwischen den Geschöpfen in Teile aufgespalten und den Wissenden getäuscht. Dieses Wissen verstreut das Drum und Dran von maya im Hause der Selbst-Erkenntnis und zeigt dem Einzelnen das Spiel der drei Zustände Wachen, Träumen und Schlafen. (18:238-541). Wegen der Unterschiede in Namen und Gestalt ist dieses Wissen von der Nicht-Dualität entfernt. (18:545). Durch das Verständnis, dass es zwischen den Geschöpfen Unterschiede gibt ist das Gefühl des Eins-Seins aus diesem Wissen verschwunden. Das Wissen, das annimmt, dass sich Dinge voneinander in vieler Hinsicht unterscheiden, und sie als groß und klein unterscheidet, ist das Raja-Wissen. (18:547-548).

Tama-Wissen  Jetzt erzähle ich dir von den Eigenschaften des Tama-Wissens. Was nackt und nicht vom Tuch der Shastra-Regeln bedeckt ist, ist das Tama-Wissen. Daher wenden ihm die shrutis (Veden) den Rücken zu. Die den Veden nachfolgenden shastras haben sich auch beklagt, dass dieses Wissen verabscheuenswürdig ist, und haben es auf die Hügel der Mlenccha-Religion (Nicht-Hindu-) verbannt. Solch ein Wissen wird nicht durch irgendwelche Regeln bei körperlichen Beziehungen gehindert, noch findet es Anstoß an irgendwelchen Dingen. (18:549-552). In der Hitze des sinnlichen Genusses denkt es nicht über die Vermeidung anstößiger Handlungen und das Handeln gemäß der shastras nach. Es beeilt sich, alle Sinnesfreuden zu genießen, die ihm begegnen. Ohne darüber nachzudenken, was gegessen oder abzulehnen ist und was richtig oder falsch ist, denkt es, dass nur das heilig ist was es mag. Es weiß nur, dass Frauen nur für sexuelle Beziehungen da sind und bemüht sich, mit ihnen Beziehungen aufrecht zu halten. Es unterhält nur mit denen Freundschaften, deren Kontakt seinen selbstsüchtigen Motive nützlich sind und nicht zu seinen Verwandten. Das Tama-Wissen meint, dass die ganze Welt nur zu seinem Wohle da ist. Es spürt, dass die Welt etwas ist, was man genießen sollte. Es denkt, dass alle Handlungen zum Füllen des Magen dienen. Er weiß nicht, welche Handlungen durchgeführt und welche unterlassen werden sollten. Sein Verstand geht nicht über das Denken hinaus, dass der Körper die Seele und Gott ein tönerner Götze sei. Er denkt, dass die Seele nach dem Tod zusammen mit den Handlungen ausgelöscht wird und keiner übrig bleibt, der die Früchte der Handlungen spüren wird. (18:557-568). Wenn Gott ein Zeuge seiner Handlungen ist und ihn die Früchte der Handlungen spüren lässt, kann man einfach das Götzenbild verkaufen und das Geld ausgeben. Wenn man sagt, dass die lokalen Gottheiten sie kontrollieren - warum verhalten sich die Hügel, aus deren Steinen Götzenbilder geschlagen werden, im übrigen Lande ruhig? Und wenn das Tama-Wissen überhaupt an Gott glaubt, betrachtet es nur das Götzenbild als Gott und den Körper selbst als Seele. Es glaubt, dass das Konzept von Sünde und Verdienst falsch ist und dass man die Sinnesfreuden gierig genießen solle. Diese Menschen sind sicher, dass das, was man sieht und was die Sinnesorgane erfreut, die einzige Wirklichkeit ist, und dieses Verständnis wächst bei ihnen Tag für Tag. (18:569-573) Das Tama-Wissen ist sinnlos und nutzlos wie das Leben eines Eunuchen. Wir nennen es Wissen, so wie wir eine ungenießbare Flüssigkeit als Getränk bezeichnen. Man sollte es tatsächlich anstatt Wissen als Tama-Merkmal selbst ansehen. (18:578-581).

Damit habe ich dir von den drei Arten des Wissens und von ihren Eigenschaften erzählt. Der Handelnde handelt im Lichte dieser drei Arten von Wissen. Dieselbe Handlung kann nun wegen dieser verschiedenen Arten von Wissen von dreierlei Art sein. Jetzt höre zunächst von den Eigenschaften der Sattva-Handlungen." (18:582-585).


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Essen, Mai 2000. Letzte Änderung: 2010-NOV-18           Eingangsseite des Übersetzers.